Ein Lechtaler Original
Guido Degasperi
Das Leben hat Guido Degasperi aus Elbigenalp schon einige Zitronen beschert. Er hat es aber immer wieder verstanden, daraus Limonade zu machen. Kommt man mit Guido ins Gespräch, merkt man schnell, dass er oft aus seiner sogenannten Komfortzone ausbrechen musste und auch steinige Wege im Leben beschritten hat.
Geboren wurde Guido am 22.11.1948 in Elbigenalp als jüngstes von 4 Kindern. “Ich war der Jüngste und eigentlich nicht mehr geplant”, schmunzelt er, als er zurück denkt.
Seine Kindheit und Jugend haben ihn zweifelsohne geprägt. Er erzählt gerne von seiner liebevollen und gleichwohl strengen Mutter. „Als Tochter eines Offiziers, genoss meine Mama natürlich eine sehr autoritäre und disziplinierte Erziehung. Dementsprechend galt auch bei uns daheim eine gewisse Ordnung. Dennoch war das Verhältnis zu meiner Mama sehr liebevoll und herzlich“, so Guido.
Unter seinem strengen und distanzierten Vater hat er hingegen immer gelitten. “Mein Vater war ein Patriarch, der keine andere Meinung gelten ließ. Wir waren 4 Kinder und ich war der jüngste. Die ältesten zwei Geschwister durften studieren und besuchten höhere Schulen. Meinen Traum, Innenarchitekt zu werden, hat der Vater schnell verworfen und mir letztlich eine Lehrstelle als Koch/Kellner besorgt,” erzählt Guido weiter und nippt dabei an einem Glas Weißwein. “Bei uns daheim war immer was los, täglich hatten wir Besuch und die Tür stand immer offen. Meine Eltern waren hervorragende Gastgeber und ich habe in meiner Kindheit und Jugend immer gerne Kuchen gebacken. "Da dachte sich mein Vater wohl, ich wäre im Gastgewerbe besser aufgehoben", erzählt er weiter. Die Ausbildung zum Koch/Kellner im damaligen Hotel 3 Mohren in Lermoos (heute Hotel Mohr Life) hat ihm aber tatsächlich auch nicht geschadet. Schnell hat sich Guido in der Küche und im Service wohl gefühlt und nach 4 Lehrjahren war Guido sogar weitere 10 Jahre in seinem Lehrbetrieb beschäftigt. Bald darauf winkte ihm ein verlockendes Angebot als Restaurantleiter. Daraus sollte aber nichts werden, denn Guidos Mutter erkrankte schwer und war auf Pflege angewiesen. Er fasste sich ein Herz und kam wieder heim ins Lechtal, um die Mutter und auch den Vater zu unterstützen. “Ich würde heute sicher nicht im Lechtal leben und mein Leben wäre wahrscheinlich ganz anders verlaufen, wenn ich damals nicht die Pflege meiner Mutter übernommen hätte”, führt Guido weiter aus.
Hätte Guidos Leben einen anderen Weg eingeschlagen, wäre das Lechtal aber auf jeden Fall um einen wertvollen Menschen ärmer. Guido Degasperi ist nämlich eine Ikone und ein Urgestein. Den Guido kennt man im Lechtal und das ist nicht zuletzt auch seinem kultigen Restaurant “Zur Geierwally” geschuldet. Seinen Traum vom eigenen Gasthaus hat er sich 1976 erfüllt. Damals hieß das kleine Restaurant noch "St. Urban Stube", das dann im Lauf der Jahre zum jetzigen Restaurant “Zur Geierwally" ausgebaut wurde. Die Urban Stube blieb aber erhalten und ist heute ein gemütliches kleines Pub inkl. der kleinen “Anton Falger Stube”. Wer Guidos Restaurant kennt, der weiss, dass der Begriff “Restaurant” eigentlich gar nicht die einzige Definition für diesen beliebten Treffpunkt in Elbigenalp ist. Die Gaststube ist nämlich ein kleines Museum voller wertvoller und geschichtsträchtiger Antiquitäten. Man kommt einfach nicht umhin, sich bei einem guten Essen auch noch mit der Geierwally und der Geschichte des Lechtals auseinanderzusetzen. Guido legt besonderen Wert auf Details und Dekoration. Auf den Sitzbänken drapiert er bestickte Pölsterchen, an den Fenstern hängen gehäkelte Spitzen-Gardinen, die Tische sind mit weißen Tischdecken und edlem Porzellan eingedeckt. Er liebt Antiquitäten und Raritäten und er versteht es, diese Dinge dekorativ sowie liebevoll in seinem Restaurant einzusetzen.
Guido selbst ist ebenfalls ein wandelndes Heimatkundebuch. Er saugt seit jeher die Geschichte des Lechtals auf und begibt sich bei seinen Erzählungen immer auf eine Reise durch die Zeit, bei der er seine Zuhörer förmlich mitzunehmen scheint. Nicht ganz ohne Grund ist Guido daher auch sozusagen das Aushängeschild des Museums Öffnet externen Link in neuem Fenster“Wunderkammer” in Elbigenalp. Als Gründer des Lechtaler Trachtenvereins, den er 1991 ins Leben gerufen hat, ist er obendrein ein kultureller Allrounder und leidenschaftlicher Verfechter der kostbaren und wohl schönsten Tracht des Alpenraumes, nämlich der Lechtaler Tracht. Guido macht so schnell niemand was vor. Er weiss genau, welcher Hut zu welcher Bluse getragen wird, und wie eine traditionelle Stickerei aus Gold- und Silberfäden auszusehen hat. Bei den regelmäßigen Auftritten des Trachtenvereins hat der Perfektionist ebenfalls immer noch ein Auge auf die jeweilige Choreographie. Und wenn es sein muss, lässt er bei wichtigen Brauchtumsveranstaltungen auch gut und gerne einmal sein Restaurant geschlossen. Dann trifft man Guido und seine “Bienen”, wie er seine Lechtaler Trachtenfrauen liebevoll nennt, bei den schönsten Umzügen der Region und auch über deren Grenzen hinaus. Für seine Verdienste um das Tiroler Brauchtum wurde Guido auch bereits die Verdienstmedaille des Landes Tirol und die goldene Tiroler Vereinsnadel verliehen.
Neben seiner Leidenschaft als Gastronom und Vereinsmensch ist Guido in erster Linie aber Familienmensch und Vater von zwei Kindern. Sein Sohn Florian und seine Tochter Katharina sind sein Ein und Alles. “Ich war im Laufe meines Lebens irgendwann alleinerziehend und musste somit auch die Rolle einer Mutter einnehmen. Die Kinder waren damals noch sehr klein und ich war durch mein Restaurant ja auch Vollzeit im Betrieb eingespannt. Das war nicht immer leicht, aber ich habe immer versucht, mein Bestes zu geben um meinen Kindern ein guter Vater zu sein. Mir hat meine gute Freundin und Nachbarin Irma stehts mit den Kindern geholfen. Die wenige freie Zeit, die ich hatte, hat aber immer meinen Kindern gehört. Für Probleme, Sorgen oder auch banale Dinge wie einen gefundenen Marienkäfer, habe ich mir stets Zeit genommen und meine Kinder angehört. Gewisse Tages- und Abendrituale habe ich mir ebenfalls nie nehmen lassen. Wenn es Zeit fürs Bett war, stand schon auch mal die Küche für ein paar Minuten still. Denn da habe ich meine Kinder selbst ins Bett gebracht, mit ihnen noch etwas gesungen oder auch gebetet. Diese Momente kann mir heute keiner mehr nehmen und ich erinnere mich voller Liebe an diese Zeit zurück”, schwelgt Guido in seinen Erinnerungen. Dass die Familie ein liebevolles Verhältnis zueinander hat, merkt man auch daran, dass das Restaurant nach all den Jahren familiär geführt wird. “99 % aller Menschen, die hier arbeiten, sind Familie. Florian und Katharina sind täglich da und arbeiten mit. Auch meine Schwiegerkinder und sogar meine Enkel sind zur Stelle. Das ist wunderbar und mir ist stets bewusst, wie glücklich ich mich über den Zusammenhalt in meiner Familie schätzen kann”, erzählt Guido strahlend.
Mit 74 Lebensjahren hat Guido zwar schon ein gesetztes Alter, an Ruhestand und ein klassisches Rentnerleben denkt er aber im Traum nicht. Spricht man ihn darauf an, entgegnet er gleich: “Ich und Ruhestand? Das ist definitiv nichts für mich. Ich liebe mein Leben und alles, was ich mir über die Jahre hinweg mühevoll aufgebaut habe. Jetzt gerade ernte ich eigentlich die Lorbeeren meines Erfolgs und ich genieße es, dass mich meine Familie dabei unterstützt. Solange ich gesund und munter bin und mir die Arbeit so viel Freude macht, denke ich nicht daran, mich zur Ruhe zu setzen.”
Als Guido vor rund 45 Jahren sein Restaurant eröffnete, hatte er schon innovative Ideen, die für die damalige Zeit, aber auch für die Region noch recht unkonventionell waren. Nichts desto trotz sind vielen noch die legendären Schaumpartys oder auch die Beach-Party mit einem Kubik Sand in der Urbanstube in Erinnerung geblieben. Guido war oft ein Vorreiter und er selbst ist ebenfalls unkonventionell geblieben. Er ist wie er ist und lässt sich nicht verbiegen. Er steht zu seinem Wort und spricht die Dinge auch an. Unterhält man sich mit dem leidenschaftlichen Gastronom beispielsweise auch über den touristischen Weg des Lechtal, so ist er zweifelsohne der Meinung, dass zum Tal nur ein Weg passt - nämlich jener eines naturnahen sowie ursprünglichen und authentischen Tourismus. “Wenn man etwas sagt oder bewirbt, dann muss es auch so sein. Sonst lässt man es besser bleiben. Massentourismus und Partytourismus passen einfach nicht hierher. Wir müssen uns im Lechtal aber trotzdem nicht verstecken. Tourismus mit Hausverstand, sozusagen - das ist meine Devise”, meint Guido.
Wo kann man Guido Degasperi treffen?
Als Aushängeschild des Museums WUNDERKAMMER in Elbigenalp werden Besucher gleich zu Beginn der Ausstellung vom “virtuellen” Guido begrüßt. Auf Anfrage kann man Guido aber auch live bei einer spannenden Dorfführung durch Elbigenalp erleben. Ein absolutes Highlight ist außerdem “KOCHEN AM OFFENEN HERD” in Guidos Restaurant “Zur Geierwally”. Informationen zur Veranstaltung erhalten Interessierte unter https://www.zur-geierwally.at/restaurant.
von Anja Ginther
03. Mai 2023