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Lechtal Tourismus - Christoph Moosbrugger

"Ich brauche keine Malediven, mir reicht das Lechtal"

Simone Knitel

Als 1989 der eiserne Vorhang fiel, stand Simone weder auf der Mauer, noch grölte sie mit der Menschenmenge Freiheitsparolen. In jener geschichtsträchtigen Nacht, am 9. November 1989 hatte Simone Nachtdienst im Krankenhaus, versorgte Patienten und hörte vom Mauerfall aus dem Radio.

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“Dass sich das Ende der DDR abzeichnete, war klar. Als ich dann diesen einen, zögerlichen Satz vom damaligen SED-Funktionär Günter Schabowski hörte, dass Reisen ins westliche Ausland "sofort & unverzüglich erlaubt seien", war das Schicksal der DDR besiegelt.” Simone erzählt von diesem Erlebnis, als wäre es erst gestern gewesen. Auch heute noch, nach rund 33 Jahren bewegt sie der Mauerfall und alles was danach kam. Heute berichten schnöde Dokumentationen und sachliche Geschichtsbücher vom Ende der DDR. Was das aber für jede(n) BürgerIn der Deutschen-Demokratischen Republik bedeutete, kann man nur erahnen.

Simone Knitel_Lechtaler Naturhandwerk

Simone wurde 1970 in der DDR geboren. Dort wuchs sie auf, dort ging zur Schule und wurde von einem sozialistischen System geprägt. “Auf Einmal war da irgendwie kein Land mehr, aus dem ich kam. Diese DDR gab es nicht mehr - und alles was man uns über Jahre hinweg an Werten und Philosophie vermittelt hatte, wurde plötzlich auch in Frage gestellt. Sicher war nicht alles eitel Wonne und der Sozialismus war kompromisslos. Wir waren in vielen Dingen eingeschränkt, durften nicht in den Westen reisen und mussten oft aus der Not eine Tugend machen. Trotzdem aber wollte ich doch einfach nur Reisen, mein Land aber nicht für immer verlieren.” - beschreibt Simone, wie es ihr damals emotional ging. Sie hat bei aller Wehmut, die sie empfand, aber auch ein großes Abenteuer in der Wende gesehen und mit ihren 100 DM Begrüßungsgeld kurzerhand eine Busreise ins Lechtal gebucht.

Leben im Lechtal - Simone Knitel

“In einer Tageszeitung sah ich zufällig eine Anzeige vom damaligen Reisebüro AlpTirol und im Juni 1990 saß ich mit meiner besten Freundin im Bus nach Holzgau. Dass die Reise nach Tirol ging, wussten wir. Wo Holzgau lag, war uns aber nicht bewusst. Wir wollten in unserem jugendlichen Leichtsinn eigentlich einfach mal diese schneidigen Tiroler in Lederhosen sehen, die immer in den (eigentlich zensierten) Heimat- und Liebesromanen beschrieben wurden. Als wir dann nach einer gefühlten Ewigkeit endlich ankamen und aus dem Bus ausstiegen, habe ich mich sofort in die Berge und Blumenwiesen verliebt. So was hatte ich vorher noch nie gesehen.” schwärmt Simone mit ihrem immer noch leicht hörbaren sächsischen Akzent. “Bei strömendem Regen habe ich dann eine 5 Stündige Blumen- und Kräuterwanderung mitgemacht. Ich war so beeindruckt von dieser Natur, der Blumenvielfalt und den Bergen, dass mir der Regen nichts ausgemacht hat.”- erzählt sie weiter. Nachdem der Urlaub in Holzgau wieder vorbei war und der Bus zurück Richtung Berlin fuhr, hielt es Simone nicht mehr lange aus. Zu sehr hatte sie sich in das Lechtal verliebt.

Der Job als Krankenschwester und die Wohnung im Plattenbau wurde kurzerhand gekündigt und Simone fing in Holzgau neu an. “Das Job-Angebot, das man mir in meinem Urlaub ein paar Wochen zuvor gemacht hatte, nahm ich an. Ich kellnerte dann eine Zeit lang und konnte nach ein paar Monaten wieder in meinen alten Beruf als Krankenschwester einsteigen. Im Frühjahr 1991 übernahm ich dann die Heimleitung im Bezirkspflegeheim in Reutte”. - erinnert sich Simone zurück.

Leben im Lechtal - Simone Knitel

Mit der Geburt ihrer Kinder zog sich Simone dann aber beruflich zurück und half in der Pension der damaligen Schwiegereltern mit. In dieser Zeit hat sie die Leidenschaft zu den Kräutern und Heilpflanzen endgültig gepackt und sie verschlang Sachbücher und Enzyklopädien. In der Folge absolvierte sie auch eine Ausbildung zur Kräuterpädagogin, als Bergwanderführerin sowie Naturparkführerin. “Ich war damals schon sehr wissbegierig und neugierig. Mich trieb das Interesse an Kräutern und Heilpflanzen und deren Verarbeitung immer an. Ich wollte alles wissen und lese auch heute immer wieder gerne die entsprechende Fachliteratur”.

Seit 2010 betreibt die Naturparkrangerin und zertifizierte Kräuterbäuerin zusammen mit Ihrer Freundin Sigrid Juchtmans zudem ihr ganz eigenes, kleines Geschäft, mit dem Namen “Lechtaler Naturhandwerk” (www.lechtaler-naturhandwerk.com), das sich mittlerweile in Bach befindet. Das bunte und größtenteils regionale Sortiment umfasst u.a. liebevoll hergestellten Schmuck, Lechtaler Kräuterprodukte, handgemachte Dekoartikel aus Holz und sogar Bücher sowie Geschenkartikel für jeden Anlass und jedes Alter. Der kleine Laden an der Ecke, direkt im Dorfzentrum von Bach, ist ein wahrer Blickfang und strahlt ein gemütliches und vor allem herzliches Ambiente aus. Kurzum: Es steckt jede Menge Herzblut drin.

Wenn man sich mit Simone unterhält, merkt man schnell, dass sie getrieben aber trotzdem nicht ruhelos ist. Ihr Wissensdurst und die Freude an Ihrer Arbeit, die zugleich auch ihr Hobby ist, treiben sie immer wieder zu neuen Ideen und Projekten an. Ihre Inspiration holt sich Simone in den Bergen, am Lech und, wie sollte es anders sein, beim Kräutersammeln. “Ich liebe es in der einzigartigen Natur unterwegs zu sein und mein Wissen an Einheimische und Gäste weiterzugeben. Ich schöpfe Kraft und Energie aus der Natur - da kommen mir die besten Ideen. Aber vor allem meine Familie und mein Freundeskreis, bestehend aus Einheimischen und vielen sogenannten “Zuagroasten” sind mein Anker.” erzählt sie stolz. Simone ist ein genügsamer und zufriedener Mensch. Die Natur, das Lechtal, ihr Beruf und die Menschen in ihrem Leben machen sie glücklich. “Andere fahren teure Autos oder fliegen um die halbe Welt. Ich selber bin da pragmatisch und brauche keine Malediven - mir reicht die Schigge, hoch über Holzgau. Da bin ich gerne, sitze in der Sonne, sammle Kräuter und atme einfach tief ein und aus.”

Sommer im Lechtal-Landschaften und Natur Kaisermantel Schmetterling

Fragt man Simone nach ihrer Sicht auf den Tourismus im Lechtal, entgegnet sie ohne zu zögern, dass vor allem die einzigartige Landschaft und das Leben im Naturpark (www.naturpark-tiroler-lech.at) die zukunftsweisenden Aspekte seien. Nichts desto trotz müsse man im Tal auch mit der Zeit gehen und zeitgemäße Urlaubs-Anreize schaffen. Dabei ist es ihrer Meinung nach vor allem eine Herausforderung die Waage zwischen einem modernen und trotzdem naturorientierten Tourismus zu halten. Das Lechtal muss aber auf jeden Fall in erster Linie ein Erholungsgebiet fernab von Massentourismus bleiben. “Es gibt viele hervorragende Ideen und bereits umgesetzte Projekte, die aber auch künftig nur weiter forciert und weiterverfolgt werden können, wenn wir alle an einem Strang ziehen und Neid oder auch Missgunst außen vor lassen. Ein Miteinander im Tourismus und die gemeinsame Überzeugung, dass wir die Natur noch mehr schätzen- und überdies auch erhalten müssen, ist laut Simone die Quintessenz für die Zukunft des Lechtals als Urlaubsregion.

Wie viele andere hat sich auch Simone für ein Leben im Lechtal entschieden. Sie kam vor über dreißig Jahren mit einem Koffer voller Erwartungen, Träume und Neugier in dieses Tal. Zweifelsohne hat Simone Vieles erlebt, sie hat das beste aus jeder Lebenssituation gemacht und sich keinesfalls unterkriegen lassen. Heute steht die dreifache Mutter immer noch mitten im Leben und sie hinterlässt voller Lebensenergie und Enthusiasmus ihre ganz eigene Spur, hier bei uns im Lechtal.

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Anja Ginther

von Anja Ginther

03. Mai 2023

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